
Hinter mir das Feuer, vor mir das Meer
Im Ute Bock Haus gab es zuletzt viele neue Einzüge: Menschen stehen mit Nichts vor unserer Tür. Familien wissen nicht wohin. Ein Erklärungsversuch, warum Menschen nach Österreich fliehen, hier oft keine Hilfe erhalten und unseren Verein dringend brauchen.
Gerne fragen, nur nicht hetzen
Im Juli 2025 wurden wir auf Facebook mit einer Kommentarflut überrollt, die wir auf diese Art noch nicht erlebt haben. Unsere Schulsachen-Sammelaktion stößt auf massives Unverständnis, denn „Geflüchtete bekommen doch eh alles vom Staat“ und Hilfe sollte sich, wenn dann auf „heimische“ Kinder beschränken. Bockig entgegnen wir, dass vor allem Menschlichkeit aber auch Schultaschen in einem Land wie Österreich keine endlichen Güter sind, sondern für alle da sein sollten. Machen wir uns stark gegen Armut und nicht gegen Armutsbetroffene!
Doch die Aktion lässt uns nicht los, denn sie zeigt, wie viele Vorurteile und wie viel fehlendes Wissen es über die Lebensrealitäten von Geflüchteten gibt. Stellst du dir manchmal auch diese Fragen oder weißt nicht ganz, wie du der Nachbarin erklären sollst, warum Geflüchtete eigentlich unsere Hilfe brauchen?
Nach 14 Jahren Bürgerkrieg ist die Lage in Syrien trotz Hoffnungsschimmer weiter instabil. Knapp 17 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe im Land angewiesen, viele leiden Hunger und weite Teile der Infrastruktur sind zerstört. Wie es politisch weitergeht und ob Minderheiten geschützt werden, ist weiter unsicher.
Weltweit sehen wir, dass gewaltsame Konflikte, Katastrophen und Kriege immer mehr Menschen zur Flucht zwingen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert bereits über drei Jahre – ein Ende ist nicht in Sicht. Die Hungerkrise im Südsudan, die Unterdrückung von Frauen in Afghanistan oder Dürre und gewaltsame Konflikte in Somalia – diese Liste an vergessenen Krisen lässt sich fortsetzen. Viele Konflikte schaffen es nicht in die mediale Berichterstattung, doch die Konsequenzen für die Menschen bleiben.
„Wenn hinter dir das Feuer ist und vor dir das Meer – was tust du dann? Wenn ein Kind bereits bei einem Raketeneinschlag gestorben ist – nimmst du dann nicht alle verbleibenden und läufst?“, stellt Shirin, Leiterin unserer Wohnbetreuung, emotional fest. Viele Menschen haben bereits alles verloren, erzählt sie. Im Herkunftsland haben sie keine überlebende Familie mehr, ihr Zuhause wurde zerstört oder ihnen jede Hoffnung auf eine Lebensgrundlage genommen. Ute Bock sagte schon: Sie wollen nicht, sie müssen! Ja, das ist auch weiterhin und heute sogar noch öfter der Fall.
Da hilft es auch nicht, dass sinkende Zahlen von Ankommenden (da ihnen der Fluchtweg immer mehr erschwert wird) zu politischen Schnellschüssen, wie dem Schließen von Ankunftszentren, ein Einfrieren aller Asylverfahren von Syrer*innen oder dem Stopp des Familiennachzugs, führen. All das vergrößert lediglich die Not der Menschen, die bereits hier sind, schafft enorme Unsicherheit und erschwert Integrationsbemühungen.
Obdachlosigkeit bei Geflüchteten kann unterschiedliche Gründe haben:
Die Anträge von Syrer*innen werden nicht bearbeitet oder negativ entscheiden – die Konsequenz ist, dass sie aus dem Versorgungsnetz fallen, obdachlos und ohne Hilfe aus der Bundesbetreuung entlassen werden.
Generell sind einige Betreuungseinrichtungen in den Bundesländern von Kürzungen oder sogar der Schließung betroffen, da der politische Wille, sich um die Menschen zu kümmern, häufig fehlt. Menschen im Asylverfahren haben jedoch die Pflicht, an ihrem zugeteilten Wohnort zu bleiben – auch wenn dort die Zustände katastrophal sind, keine oder zu wenige Deutschkurse angeboten werden, spezielle medizinische Versorgung fehlt oder sie zum stillen Warten ohne Perspektive gezwungen werden. Wechseln sie das Bundesland oder kommen bspw. nach Wien, da sie hier mehr Hoffnung auf eine gelingende Integration haben, fallen sie ebenfalls aus dem Grundversorgungsnetz. Da Wien die Quote im Vergleich zu anderen Bundesländern in Österreich weit übererfüllt, nimmt die Bundeshauptstadt im Moment keine neuen Menschen mehr in die Grundversorgung auf. Das betrifft Menschen in laufenden Asylverfahren und jene, die bereits einen negativen Bescheid haben.
Doch wo sollen sie hin? „Häufig schlagen sie sich irgendwie durch, schlafen im Park oder verbringen die Nacht in einer Obdachlosenunterkunft – doch das ist doch kein menschenwürdiges Leben,“ erzählt Shirin von Gesprächen mit Geflüchteten, die gerade im Ute Bock Haus einziehen konnten. Da unser Verein Großteils spendenfinanziert und damit unabhängig ist, können wir uns diesen Fällen annehmen. Ganz nach Ute Bocks Leitbild: „Ich kann doch niemanden vor meiner Tür wegschicken, der nichts zum Essen und keinen Platz zum Schlafen hat! Das ist doch das, was Menschen füreinander tun.“
Die oben genannten Gründe, können auch Familien mit Kindern betreffen, die so aus dem Versorgungsnetz fallen und ohne finanzielle Hilfe dastehen. Das Schulstart-Geld bekommen nur jene Familien, die bereits einen positiven Aufenthaltstitel haben. Den Schulmaterial-Zuschuss in der Grundversorgung (meist in Form von Gutscheinen) bekommen eben auch nur die Familien, die in der Grundversorgung sind. Viele geflüchtete Familien, die wir unterstützen, bekommen diese Hilfe nicht und können sich den Schulstart so oder so kaum leisten. Der Bedarf wird individuell in unserer Sozialberatung abgeklärt. Mit der Hilfe von unserer Community wollen wir auch heuer wieder über 200 Kinder mit Fluchterfahrung mit Schulsachen ausstatten.
Im Moment beobachten wir ein weiteres großes Problem: Der Stillstand in den Asylverfahren von Syrer*innen führt dazu, dass auch die Asylanträge von Familienangehörigen – meist Frauen und Kinder – die noch über eine Familienzusammenführung nach Österreich gekommen sind, nicht bearbeitet werden. Obwohl die Väter in diesen Fällen bereits einen positiven Asylbescheid haben – also offiziell schutzberechtigt sind – werden die Anträge ihrer Familien schon über ein Jahr lang nicht bearbeitet. „Eigentlich hatten sie Glück, da sie noch über den jetzt gestoppten Familiennachzug sicher nach Wien einreisen konnten, doch sie stehen mit Nichts vor unserer Tür und wissen nicht, wie es weitergehen soll,“ erzählt Shirin von ihrer Arbeit im Ute Bock Haus, „Andere mussten ihre Familien bereits über gefährliche Fluchtrouten holen. Viele syrische Väter flüchten mit ihren Familien zuerst in die Türkei. Doch dort dürfen die Kinder nicht zur Schule gehen. Es gibt keine Perspektiven für sie. Sie müssen weitergehen.“
Im Ute Bock Haus und in von uns betreuten Wohnungen leben Familien, die häufig gar keine finanzielle Unterstützung bekommen. Doch jedes Kind hat ein Recht auf ein sicheres Zuhause und einen guten Start in die Schule.
„Die logischere Frage ist für mich: Warum gibt jemand alles in seiner Heimat auf, verkauft sein ganzes Hab und Gut, verlässt alle, die er kennt? Macht sich auf eine gefährliche Reise, wo er vielleicht sein Kind verliert oder selbst sterben könnte? Warum gehen sie? Weil es keinen anderen Weg mehr gibt!“, bei der Erzählung wird Shirin emotional, „Die Menschen, die es nach Europa geschafft haben, können nicht zurück. Sie haben alles verloren. In ihren Herkunftsländern ist oft alles zerstört, ihre Familien im Krieg gestorben, Konflikte beherrschen die Region. Wenn man mit diesen Menschen arbeitet, versteht man, dass es für sehr viele kein Zurück mehr gibt. Sonst wären sie nicht gegangen, denn es hat sie alles gekostet.“
Das Asylrecht ist äußerst komplex, langwierig und leider auch von willkürlichen Entscheidungen geprägt. Wir sehen in unserer Rechtsberatung, dass viele Verfahren in der ersten Instanz falsch-negativ entschieden wurden oder es abhängig davon ist, welcher Person man im Verfahren zugeteilt wird. Verschiedene Referent*innen und Richter*innen treffen unterschiedliche Entscheidungen, die oft nicht nachvollziehbar sind. Das System entscheidet leider nicht immer fair und menschlich – wie es eigentlich sein sollte.
„Oft müssen wir Jahre dranbleiben. Helfen, wenn sonst niemand mehr hilft und alle anderen Unterstützungsleistungen wegfallen. Wir sind mit Herz und Gefühl dabei, nur der Verstand reicht nicht. Wir müssen die Menschlichkeit in uns zulassen, damit wir gut mit unseren Klient*innen arbeiten können,“ sagt Shirin. Im Verein haben wir uns dieser Einzelschicksale – die leider viel zu oft vorkommen – angenommen und dafür brauchen wir Hilfe. Denn Obdach, Beratung, Bildungsangebote oder Soforthilfe sind nur mit Hilfe von Spenden möglich. Wir wollen, dass alle eine faire Chance auf ein gutes Ankommen haben und dafür brauchen wir dich!

"Wenn man mit diesen Menschen arbeitet, versteht man, dass es für sehr viele kein Zurück mehr gibt. Sonst wären sie nicht gegangen, denn es hat sie alles gekostet,“ erzählt Shirin, Leiterin der Wohnbetreuung aus der Beratungsarbeit ihres kleinen Teams.
Foto: Sophie Kirchner
Spende Perspektiven, Hoffnung, Beratung
Geflüchtete Menschen stehen in Österreich vor zahlreichen Herausforderungen: Unsicherheit, Sprachbarrieren, bürokratische Hürden, gesundheitliche Sorgen und oft traumatische Erlebnisse. Ohne professionelle Unterstützung ist es kaum möglich, sich in diesem herausfordernden Umfeld zurechtzufinden und ein sicheres Leben aufzubauen.
Im Ute Bock Haus erhalten die Bewohner*innen genau diese Hilfe: Unser Team begleitet sie ab dem ersten Tag – im Asylverfahren, bei der medizinischen Versorgung, Job- oder Wohnungssuche, schulischen Fragen und psychischer Belastung. Mit deiner Spende finanzierst du einen Monat professionelle Beratung für eine geflüchtete Person – und schenkst Perspektiven und Hoffnung.