
Für das Leben nach dem Warten
Zwei Männer, zwei Geschichten, ein System voller Hürden: Yaro aus Liberia und Ali aus dem Irak haben nach einem Jahrzehnt des Wartens endlich einen positiven Aufenthaltstitel bekommen. Nicht, weil sich etwas an ihren Fluchtgründen verändert hat, sondern weil endlich jemand hingeschaut hat. Was das mit einem Menschen macht, erzählen wir hier. Über Hoffnung, Mut und das Leben nach der Wartezeit.
Längster Bewohner des Ute Bock Hauses
Stell dir vor, du musst mit 21 Jahren aus deiner Heimat fliehen, kommst in einem sicheren Land mit viel Hoffnung an und bist dann 20 Jahre zum Warten gezwungen. Yaro* aus Liberia hat fast die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht. In unserem Haus in der Zohmanngasse ist er vor 13 Jahren noch gemeinsam mit Ute Bock eingezogen. Seitdem ist viel passiert – auch viel, das weh tut.
Sein Asylverfahren? Ein ewiger Drahtseilakt zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Immer wieder negativ, immer wieder warten auf die Beurteilung der nächsten Instanz. Und trotzdem: Yaro hat nie aufgegeben. Er hat Deutsch gelernt, mitangepackt, war bei uns im Haus eine verlässliche Kraft – ob beim Reintragen von Spenden, Aufräumen im Lager, beim Reinigen der Gemeinschaftsräume oder einfach, wenn eine helfende Hand gebraucht wurde. Einer, der immer da ist.
Bittersüßer Abschied
Jetzt hat er endlich einen Aufenthaltstitel – die Rot-Weiß-Rot-Karte+. Er darf arbeiten, durchstarten, leben. Nach 20 Jahren. Sein neuer Arbeitgeber kann sich glücklich schätzen: Yaro ist freundlich, vernünftig, kritikfähig, fleißig – einfach ein toller Mensch!
Wir sehen mit einem lachendem und einem weinenden Auge auf seine Zukunft. Schritt für Schritt geht es jetzt Richtung selbstbestimmtem Leben und wir freuen uns riesig mit ihm. Trotzdem lassen wir ihn nur ungern gehen, denn wer so lange Teil unserer bockigen Gemeinschaft ist, wird eine große Lücke hinterlassen. Danke, Yaro. Für alles, was du für uns warst – und alles, was du jetzt wirst. Wir werden dich in der Bock-Familie vermissen!
Endlich wieder träumen
Wie holt man Menschen aus diesem jahrelangen Wartemodus wieder heraus? „Viele werden depressiv. Sie sehen keinen Weg mehr vor sich und verfallen in ein Loch. Daraus wächst man nicht von heute auf morgen – auch wenn der Bescheid plötzlich positiv ausfällt. Da stecken viel Betreuungsarbeit und Beratungszeit dahinter,“ erzählt Leiterin der Wohnbetreuung Shirin von der täglichen Arbeit ihres kleinen Teams.
„Ich frage die Menschen, was sie am ersten Tag ihrer Ankunft in Österreich gefühlt haben, welche Träume sie hatten, welche Pläne für die Zukunft. Sie müssen sich in diese hoffnungsvolle Zeit zurückversetzen. Die meisten träumten von einem sicheren Leben, Arbeit und einer Familie – einem ganz normalen Leben.“ Das alles können sie jetzt angehen. Schritt für Schritt und mit unserer Hilfe, bis sie auf eigenen Beinen stehen können.
Die Willkür des Systems
Auch der 46-jährige Ali* aus dem Irak durfte nach einem Jahrzehnt des Wartens endlich aufatmen: Nach zehn Jahren im Asylverfahren – ohne neue Fakten, ohne neue Fluchtgründe – wurde ihm plötzlich Schutz gewährt. Der einzige Unterschied? Ein neuer Referent. Das zeigt, dass im Asylsystem auch oft der Zufall entscheidet. Für ihn war es diesmal Glück – nach zehn verlorenen Jahren. Jahre, in denen er nur gewartet hat, statt leben zu dürfen.

Die Einzelzimmer im Ute Bock Haus sind Lebensmittelpunkt für viele Jahre. Die kleinen Räume sind gerade einmal 11qm groß und oft das erste sichere Zuhause.
Foto: Flüchtlingsprojekt Ute Bock
Mut und eigene, kleine Erfolge
Die Wartezeit ist häufig begleitet von der Angst, jede Sekunde wieder alles zu verlieren und abgeschoben zu werden. Bis diese Angst vergeht und sie im Leben mit neuen Perspektiven ankommen, dauert es. Und sie brauchen Mut. Das geben ihnen die Berater*innen im Ute Bock Haus in vielen Gesprächen: „Den Mut jetzt alles anzugehen, von dem sie immer geträumt haben.“
Mit der Zeit und vielen kleinen Erfolgen, wie die ersten Wege alleine zum AMS und zu Ämtern, kommt auch das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zurück. „Sie schaffen etwas, haben kleine Erfolgserlebnisse und erzählen uns stolz davon. Da freuen wir uns alle gemeinsam und es geht Schritt für Schritt weiter in ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben,“ erzählt Shirin, „denn jetzt mit einem Aufenthaltstitel ist die Tür offen und sie brauchen nur den Mut hindurchzugehen.“
Beratung kostet Zeit. Und Zeit kostet Geld.
Yaro und Ali haben es geschafft – aber nicht allein. Ohne die vielen Gespräche, die Geduld, das Mut-Machen und das Dranbleiben unserer Berater*innen wäre dieser Weg kaum möglich gewesen. Denn ein positiver Bescheid ist nur der Anfang. Danach geht es erst richtig los: Wohnungs- und Jobsuche, neue Routinen, Ankommen im Alltag. Dafür braucht es Zeit, Mut, Vertrauen – und Menschen, die zuhören und mitgehen.
Mit deiner Spende für beratende Unterstützung schenkst du genau das: Zeit für Orientierung, Zeit für Stabilität, Zeit für ein neues Leben.
Danke, dass du Teil der Veränderung bist und Mut spendest!
*Die Namen von Yaro und Ali haben wir zu ihrem Schutz verändert und ein Symbolbild verwendet.