Es wird dramatisch! Eine Entscheidung mit Folgen
Die neuen Pläne der Stadt Wien für Menschen mit subsidiärem Schutz* sind genau eines: untragbar. Ab 2026 sollen Geflüchtete mit diesem Status nicht mehr auf das Niveau der Mindestsicherung aufstocken dürfen. Sie werden auf die Grundversorgung zurückfallen – mit fatalen Konsequenzen.
75 Millionen Euro Einsparung – auf Kosten der Ärmsten
75 Millionen Euro will die Stadt Wien mit dieser Maßnahme damit einsparen. Zum Vergleich: Allein im U-Bahn-Bau rechnet man aktuell mit Mehr(!)kosten von rund 260 Millionen Euro.
Gespart wird also dort, wo es am meisten weh tut – bei Menschen, die ohnehin kaum mehr haben als das Allernötigste. Geht diese Rechnung auf?
Wer ist betroffen?
Subsidiär Schutzberechtigte sind Menschen, deren Bedrohungslage in ihren Herkunftsländern in Österreich anerkannt wird. Sie bekommen hier Schutz, weil eine Rückkehr lebensgefährlich wäre. Doch im Gegensatz zu Asylberechtigten sind sie sozialrechtlich schlechter gestellt – und genau diese Ungleichbehandlung wird jetzt verschärft.
Derzeit können Schutzberechtigte ihre Grundversorgung auf das Niveau der Mindestsicherung aufstocken, haben aber zugleich keinen Anspruch auf eine Unterbringung in einer Grundversorgungseinrichtung. Sie leben privat, zahlen marktübliche Mieten.
Wenn diese Aufstockung wegfällt, bleiben einer Einzelperson künftig nur mehr 425 € im Monat, einer Familie mit zwei Kindern 1140 € – für alles: Miete, Strom, Essen, Kleidung, Hygieneartikel.
Integration braucht Sicherheit – keine Armut
Der einzige Weg aus der Misere ist ein Job, aber realistisch gesehen, haben viele auf dem Jobmarkt zunächst keine Chance – zu wenige geförderte Deutschkurse, Traumata, ein überforderter Arbeitsmarkt, fehlende oder auch hier weggekürzte Integrationsprojekte.
Wie soll man sich dann um seine Integration kümmern, wenn der Magen knurrt, wenn man nicht weiß, wo man in der nächsten Nacht schläft, sich sorgt, ob das eigene Kind friert? Statt Chancen zu schaffen, zementiert diese Entscheidung Ausgrenzung, Armut und Perspektivlosigkeit.
Was wird passieren?
Betroffen sind Menschen, die bereits schwer traumatisiert in Österreich angekommen sind auf der Suche nach Sicherheit. Durch diese politische Entscheidung verlieren sie erneut den Boden unter den Füßen: Menschen, die ohnehin schon wenig haben, werden vor dem Ruin stehen. Tausende Betroffene werden zwischen Essen und Wohnen wählen müssen – und verlieren am Ende beides. Delogierungen von Familien sind die Konsequenz. Wir reden von Kindern, die akut von Obdachlosigkeit bedroht sein werden!
So auch die Familie von Yara aus Syrien, alleinerziehende Klientin unserer Sozialberatung. Sie betreut ihre drei schwer behinderten Kinder. Mit der geplanten Kürzung wird sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können, arbeiten kann sie aufgrund der Betreuungspflichten nicht. Wohin soll sie gehen?
Die Stadt Wien sagt, die Kleinsten seien von den diversen Einsparungsplänen nicht betroffen, Frauenprojekte sollen zudem weiter gefördert werden. Auch unter den subsidiär Schutzberechtigten gibt es unzählige Frauen und Kinder. Zählen diese nicht?
SOS Mitmensch hat eine Petition gestartet, um diese Entscheidung rückgängig zu machen. Deine Unterschrift für mehr Menschlichkeit!
Die Stadt zieht sich zurück – wir müssen auffangen
Scheinbar wurde dieses Sparprojekt nicht wirklich zu Ende gedacht – Menschen werden sehenden Auges ins Unglück gestürzt. Während die Stadt Wien Wohnhäuser und Ankunftszentren für Geflüchtete schließt, sieht sich die Wohnungslosenhilfe der Stadt für diese Zielgruppe nicht zuständig.
Wir als Flüchtlingsprojekt Ute Bock kämpfen schon jetzt mit unseren Kapazitäten – jeder verfügbare Wohnplatz ist aktuell belegt, bei den Lebensmittelausgaben haben wir zuletzt schon Notfalltermine ermöglicht und selbst diese sind dauernd ausgebucht. Und das, obwohl diese Kürzungen noch gar nicht in Kraft getreten sind.
Wir wissen, was uns bevorsteht: Noch mehr verzweifelte Familien, noch mehr Notfälle, noch mehr Menschen, die buchstäblich nichts mehr haben – die unsere Hilfe brauchen! NGOs und Vereine – also die Zivilbevölkerung – werden auffangen müssen, wo sich die Stadt nun aus der Verantwortung zieht.
„Ich habe genau gerechnet, aber wenn ich nächstes Jahr weniger als die Hälfte bekomme – wie soll ich meinen Kindern noch etwas zu essen kaufen?“ Das fragt uns Nabil, Vater von drei Kindern, fassungslos in der Sozialberatung. Er steht stellvertretend für tausende Familien, die bald vor demselben Problem stehen werden.
Bockig bleiben – aber das schaffen wir nicht allein
Wie immer werden wir als Verein bockige Lösungen finden. Wir werden mehr Lebensmittel zukaufen, versuchen Schlafplätze zu schaffen und alles tun, um Menschen nicht im Stich zu lassen. Aber klar ist: Das schaffen wir nicht ohne deine Hilfe.
Damit Kinder nicht auf der Straße landen. Damit Familien nicht hungern. Damit Menschlichkeit bleibt, wo Politik versagt.
👉 Bitte hilf uns, weiterhin helfen zu können.
Jede Spende – ob groß oder klein – macht den Unterschied.
Darüber hinaus gibt es weitere Unterstützungsmöglichkeiten wie gezielte Spendenpakete für unsere Lebensmitteleinkäufe oder Soforthilfemaßnahmen in unserem Bock Shop. Hier findest du auch unser neues untragbar-Shirt sowie die untragbar-Tennissocken - ein fesches Statement gegen untragbare Zustände!
*FAQ Subsidiärer Schutz
Die verschiedenen Aufenthaltstitel und die damit einhergehenden Rechte und Unterstützungsformen sind sehr komplex. Unsere Kolleg*innen von SOS Mitmensch haben deswegen ein FAQ zum Thema subsidiärer Schutz zusammengestellt:
Subsidiärer Schutz ist ein Schutzstatus, der an Menschen verliehen wird, denen im Herkunftsland ernste Gefahr droht. Zu diesen Gefahren zählen etwa Folter, willkürliche Gewalt oder Krieg. Der subsidiäre Schutz wird in der Regel zunächst für ein Jahr erteilt. Wenn die Situation im Herkunftsland weiterhin gefährlich bleibt, wird dieser Schutz verlängert.
Aktuell erhalten ca. 10.000 subsidiär schutzberechtigte Frauen, Männer und Kinder in Wien Mindestsicherung. Die Pläne der Stadtregierung sehen vor, dass diese 10.000 Menschen ab Anfang 2026, also in wenigen Wochen, mit einem Schlag aus der Mindestsicherung ausgeschlossen werden. Sie sollen dann nur noch die weit unter der Armutsgrenze liegenden Grundversorgungsleistungen erhalten.
Die Grundversorgungsleistungen liegen weit unter der Armutsgrenze. Sie betragen weniger als die Hälfte dessen, was die Mindestsicherung bislang ausgemacht hat. In Wien leben die Betroffenen nicht [in] organisierten Quartieren, sondern müssen sich komplett privat versorgen. Das heißt, dass Betroffene, wenn sie aus der Mindestsicherung herausfallen, von einem Tag auf den anderen nicht mehr ihre Mieten bezahlen und sich und ihre Kinder nicht mehr ausreichend versorgen können. Insbesondere ohne Übergangsfristen und Auffangwohnungen ist das absolut unbewältigbar. Das sorgt für Panik, Chaos und Elend im Leben der Betroffenen.
Eine privat wohnende und sich komplett selbst versorgende Einzelperson erhält einen Mietzuschuss von lediglich 165 Euro pro Monat und Verpflegungsgeld von lediglich 260 Euro pro Monat. Das macht insgesamt 425 Euro pro Monat. Das liegt weit unter der Armutsgrenze. Ein menschenwürdiges Leben ist davon nicht finanzierbar. Zum Vergleich: In der Mindestsicherung erhalten Betroffene bislang 1.209 Euro pro Monat, also fast das Dreifache.
Eine privat wohnende und sich komplett selbst versorgende Familie erhält einen Mietzuschuss von max. 330 Euro pro Monat. Das Verpflegungsgeld für Erwachsene und zwei Kinder macht insgesamt 810 Euro aus. Das heißt, eine vierköpfige Familie muss mit insgesamt 1.140 Euro pro Monat […] auskommen. Das liegt weit unter der Armutsgrenze. Ein menschenwürdiges Leben ist davon nicht finanzierbar. Zum Vergleich: In der Mindestsicherung erhält die Familie 2.345,47 Euro pro Monat plus Familienbeihilfe.
Sparen auf dem Rücken derjenigen, die ohnehin bereits am Minimum leben, hat katastrophale und extrem teure Folgen. Insbesondere für die Kinder, deren Chancen dadurch vermindert werden. Das hat auch die Stadt Wien noch vor kurzem so gesehen. So schrieb die Stadt im Jahr 2018: „Die Kürzung der Mindestsicherung trifft Familien überproportional und wird die Kinderarmut in Österreich vergrößern und insbesondere die Perspektiven von Kindern schmälern. Eine unzureichende materielle Ausstattung hat Auswirkung auf die Bildungschancen und die gesundheitliche Entwicklung von jungen Menschen. Aus der Kinderarmutsforschung ist bekannt, dass sich Armutsphänomene äußerst nachteilig auf die gesundheitliche, soziale und kulturelle Entwicklung von Kindern auswirken. Von Armut betroffene Eltern sind zudem aufgrund der damit einhergehenden Stressfaktoren häufig weniger gut in der Lage, sich um die Bedürfnisse ihrer Kinder zu kümmern. Kinderarmutsprävention stellt aus dieser Perspektive nicht nur die beste und nachhaltigste, sondern letztendlich auch billigste Prävention im Kinderschutz dar. Die Lebensbedingungen von gegenwärtig sozioökonomisch benachteiligten Kindern wirken sich zudem nicht nur auf diese aus, sondern werden häufig über Generationen weitergegeben."