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Die Sorge mit der Versorgung: Die Grundversorgung wird 20

Im Mai 2004 wurde die Grundversorgung für „hilfs- und schutzbedürftige Fremde“ eingeführt. Ziel war die Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens für Geflüchtete. Die rechtlich geregelte Versorgung mit Unterkunft, Verpflegung und Krankenversicherung hat eine deutliche Verbesserung für die ankommenden Flüchtlinge in Österreich geschaffen. Doch auch Kritik ist damals wie heute angebracht.

Das Flüchtlingsprojekt Ute Bock ist 2002 entstanden, weil Ute Bock unversorgte Flüchtlinge nicht auf der Straße stehen lassen wollte. Sie gab obdachlosen Geflüchteten Schlafplätze, organisierte WGs und Unterstützung – nichts davon war strukturell vorgesehen. Überall in Österreich halfen NGOs in dieser Zeit den ankommenden Flüchtlingen, versuchten ihr Bestes, um die Menschen von der Straße zu holen, ihnen medizinische Versorgung zu beschaffen. Wenn man sich die Jahre vor der Einführung der Grundversorgung (GVS) anschaut, ist diese seit Mai 2004 bestehende bundesweite Regelung tatsächlich ein Segen. Die NGOs und ihre Mitarbeiter*innen kamen vorher oft an ihre Grenzen, mussten die komplette Versorgung finanziell alleine stemmen. Viele schickten ihre Klient*innen damals zu Ute Bock, denn die Frau Bock bekam die Leute untergebracht.

Mit der Einführung der GVS gab es dann endlich festgelegte Rahmenbedingungen und einen Rechtsanspruch auf Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und medizinische Versorgung. Zunächst angedacht als rein materielle Unterstützung in z.B. organisierten Unterkünften mit Verpflegung, hat die Realität schnell gezeigt, dass es auch private Unterkünfte und finanzielle Unterstützung geben muss.

Dass mit der Einführung der GVS nicht alle Probleme gelöst waren, zeigt sich allein schon an der Geschichte unseres Vereins. Auch wenn sich Frau Bock immer gewünscht hat, einmal überflüssig zu sein, ist dieser Wunsch auch mit der Einführung der GVS nicht in Erfüllung gegangen, ihre privat organisierte Hilfe wurde weiterhin benötigt. Doch die GVS war ein besonders wichtiger Schritt und machte auch die Arbeit für Flüchtlingshilfen wie unserer einfacher, planbarer und damit stabiler.

Beim Flüchtlingsprojekt Ute Bock betreuen wir Flüchtlinge in GVS sowie als wichtiger Nischenanbieter vor allem auch Menschen, die aus diversen Gründen aus der GVS gefallen sind. Wir sehen also Tag für Tag, wie viel schwerer es für Geflüchtete ist, wenn sie keine GVS erhalten. Unsere Betreuer*innen arbeiten deswegen intensiv daran, dass Klient*innen wieder in die Grundversorgung aufgenommen werden, nicht nur wegen ihrer finanziellen Unterstützung (aktuell € 425 pro Monat für Miete und Verpflegung), sondern vor allem auch wegen der wichtigen Krankenversicherung.

Die Grundversorgung für Geflüchtete hat also zweifellos vielen Menschen in Not geholfen. Sie schlägt eine Brücke zwischen einer oft traumatischen Vergangenheit und einer hoffnungsvollen Zukunft. Doch es gilt nachzuschärfen!

Drei Wünsche an die Grundversorgung

Unsere Kollegin Shirin Behrends-Basha ist als Leiterin der Wohnbetreuung jeden Tag mit den schwierigen Situationen unserer Klient*innen konfrontiert. Sie hat drei große Wünsche an das GVS-System, die die Lebensrealität der Flüchtlinge drastisch verbessern würde:

  1. Die Bearbeitungszeit der GVS-Anträge muss drastisch reduziert werden. Derzeit kann es bis zu fünf Monate dauern, bis die GVS ausgezahlt wird. Wir als NGO können unseren Klient*innen helfen, diese Zeit ohne finanzielle Unterstützung zu überbrücken. Geflüchtete, die auf sich selbst gestellt sind, können das nicht.
  2. Berücksichtigung von Härtefällen bei der Bundesland-Zuteilung: Wenn Klient*innen sich weigern, in das zugeteilte Bundesland transferiert zu werden, verlieren sie ihren Anspruch auf GVS. Doch häufig gibt es valide Gründe für diese Entscheidung, zum Beispiel Therapiemöglichkeiten bei Behinderungen oder Krankheiten, die in Regionen mit weniger ausgeprägter Infrastruktur nicht gegeben sind.
  3. Krankenversicherung sicherstellen! Wenn der Anspruch auf GVS verfällt, ist die Krankenversicherung weg. Die gesundheitliche Versorgung muss gewährleistet sein, insbesondere bei Kindern. Das sollte unser Anspruch als Gesellschaft sein, dass im Sinne des Kindeswohls kein Kind unversorgt bleibt!
Ute Bock im Hof eines Hauses, neben ihr eine Wäscheleine mit Gewand

Ute Bock 2003 in einem Haus, in dem sie Geflüchtete untergebracht hat
Foto: unbekannt

Raus aus der „Inaktivitätsfalle“

Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer (Leiter der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – BBU) nennt die GVS im Interview mit asyl aktuell zudem eine „klassische Inaktivitätsfalle“. Das zeigt sich auch bei unseren grundversorgten Klient*innen. Shirin bestätigt: „Das System erzieht die Menschen zu Faulheit. Wer sich engagiert, wird bestraft.“

Unsere Kolleg*innen in der Wohnbetreuung müssen Klient*innen darüber aufklären, dass sie ihre finanzielle Unterstützung und mitunter auch ihre Unterkunft verlieren, sobald sie eine bezahlte Arbeit aufnehmen. Ein großes Risiko gerade für Familien, denn Geflüchtete arbeiten zunächst häufig im Niedriglohnsektor, der nicht unmittelbar finanzielle Stabilität bietet. Außerdem drohen zeitgleich hohe Rückzahlungen der GVS. Hier wäre eine größere Flexibilität und realistischere Zuverdienstgrenzen wünschenswert. Denn die Arbeitsaufnahme ist bekannterweise ein extrem wichtiger Faktor für die Integration, unterstützt das Deutschlernen und fördert die Unabhängigkeit ganz entscheidend.

Und nun?

Seit zwei Jahrzehnten steht die Grundversorgung für Geflüchtete also im Fokus der humanitären Bemühungen in Österreich. Die Verbesserungen, die es in den letzten 20 Jahren immer wieder gegeben hat, sind in der Regel auf Initiative und Feedback der NGOs zurückzuführen. Indem wir auch heute die Herausforderungen angehen und konkrete Maßnahmen ergreifen, kann sichergestellt werden, dass die Grundversorgung auch in den kommenden Jahren eine bedeutende Rolle bei der Unterstützung derjenigen spielt, die unsere Hilfe am dringendsten benötigen.

Die asylkoordination hat den April in diesem Sinne auch zum dezentralen Aktionsmonat ausgerufen und zeigt zusammen mit diversen Organisationen Verbesserungspotentiale auf. Denn Besser geht immer!  

 

Die aktuelle Ausgabe von asyl aktuell widmet sich umfassend dem Thema Grundversorgung und ihrer Geschichte:

Um das komplexe System Grundversorgung dreht es sich auch in dieser Podcastausgabe von Migrationsexpertin Judith Kohlenberger im Gespräch mit BBU-Chef Andreas Achrainer

Quellen:

asylkoordinaten. Infoblatt der asylkoordination österreich: 20 Jahre Grundversorgung – Grund zur Sorge?, Nr. 16/2024

Johannes Pucher: „Seit 20 Jahren im Grunde versorgt.“ Aus: asyl aktuell, Ausgabe 01/2024

Anny Knapp: „Wo Zahlen mehr gelten als Menschen.“ Aus: asyl aktuell, Ausgabe 01/2024

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